Im Nahmertal in der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde im Märkischen Sauerland steht eines der schönsten Mühlen-Ensembles Westfalens. Die Gründe hierfür sind das Wasser des Nahmerbaches, seine Staumöglichkeit und das Vorhandensein von Getreide und Raps. Bereits vor 400 Jahren wurde in der Brenscheider Mühle Korn gemahlen und vor mehr als 280 Jahren wurde hier Brot für das Landvolk gebacken. Etwas später entstand dann zusätzlich die Ölmühle, die bis 1923 in Betrieb war. Beide Mühlen sind nach aufwendiger Restaurierung noch heute betriebsfähig und laden zu einer Reise in die Vergangenheit ein.
Brenscheider Ölmühle
Die Ölmühle, ein eingeschossiger Bau aus Bruchsteinmauerwerk, steht im oberen Nahmertal an der Einmündung des Brenscheider Baches in den Nahmerbach. Sie wurde 1845 von Johann Diedrich vom Hagen erbaut, der sechs Jahre zuvor auch die in der Nähe gelegene Kornmühle gekauft hatte. Zu jener Zeit wurde von den Landwirten noch in größeren Mengen Raps angebaut. Die Aufgabe der Ölmühle bestand darin, Raps zu Öl zu verarbeiten, das sowohl als Nahrungszusatz als auch zur Lichtversorgung diente. Der angelieferte Raps gelangte zunächst in den sog. ‚Kollergang‘, ein rundes Holzbecken, in dem zwei senkrecht stehende Mahlsteine liefen und den Raps zu Brei zerquetschten. Dieser Brei wurde in einer Pfanne, die auf einem Kanonenofen stand, erhitzt, in Leinenbeutel abgefüllt und in die Ölpresse gelegt, d. h. zwischen zwei Bretter innerhalb eines ausgehöhlten Baumstammes. An der Außenseite von jedem Brett wurden Keile angesetzt, auf die zwei schwere Holzklötze – die sog. ‚Stampfer‘ – abwechselnd herunterschlugen. Hierdurch wurde ein hoher Druck erzeugt und das Öl ausgepreßt. Es lief durch ein kleines Loch im Boden aus und wurde in einem Behälter gesammelt. Sowohl der Kollergang als auch die Stampfer wurden dabei durch ein oberschlächtiges Wasserrad angetrieben. Die Ölmühle selbst war insgesamt nur 78 Jahre in Betrieb. Um die Jahrhundertwende wuchsen die neuerstandenen Ölfabriken zu einer ernsthaften Konkurrenz heran, was zur Folge hatte, daß die Bauern in zunehmendem Maße das Öl direkt beim Kaufmann holten und die Mühle schließlich stillgelegt werden mußte.
Während des Ersten Weltkrieges wurde sie allerdings noch einmal in Betrieb genommen: In den Jahren ab 1916 war von den Bauern wieder vermehrt Raps angebaut worden, da Krieg und Mißernten zu Hungersnöten geführt hatten. Nach der Aufhebung der Lebensmittelrationierung und der Währungsreform von 1923 wurde die Ölmühle dann endgültig stillgelegt und begann zu zerfallen. Die ersten lnstandsetzungsarbeiten wurden in den 1950er Jahren auf private Initiative hin durchgeführt. Seit 1982 steht die Mühle unter Denkmalschutz und wurde im Laufe der 1980er Jahre mit Hilfe der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde und des Märkischen Kreises vollständig renoviert.
Brenscheider Kornmühle
Die Brenscheider Kornmühle ist ein zweigeschossiges Haus mit Satteldach und gliedert sich in einen Fachwerkteil, in welchem sich die Mahlgänge befinden, und in einen Bruchsteinteil, in der die Bäckerei untergebracht ist. Vor der Giebelseite ist ein Backofen angebaut (‚Backes‘), der die Form eines kleinen Hauses hat und vom Inneren des Mühlengebäudes bedient wird. Das oberhalb der Mühle gestaute Bachwasser lief ursprünglich auf zwei Mühlräder, von denen jedes einen der beiden Mahlgänge antrieb: Den ‚Schrotmahlgang‘, der die Getreidekörner grob zermahlte, und den ‚Feinmahlgang‘.
Im Zuge der späteren Restaurierung wurden die beiden Wasserräder dann durch ein einziges ersetzt. Beide Mahlgänge haben einen festliegenden Bodenstein und darüber einen beweglichen Stein, den sog. ‚Läufer‘. Das in Säcken angelieferte Korn wird von der Bühne aus in die rüttelnden Trichter gekippt. Von dort aus gelangt es durch ein Loch im Läufer auf den rotierenden Bodenstein, der das Korn zermahlt. Beim Feinmahlgang fällt dann das Mehl in das sog. ‚Beutelwerk‘, einen Schlauch aus Gaze, der heftig gerüttelt wird und so das Mehl von der Kleie trennt.
Die Kornmühle wurde 1593 zum ersten Mal urkundlich erwähnt und unterstand den jeweiligen Landesherren. Zunächst war sie im Besitz der Herzöge von Kleve, die zugleich Grafen von der Mark waren, ab 1609 gehörte sie dann den Kurfürsten von Brandenburg und späteren Königen von Preußen. Die Brenscheider Mühle war eine sogenannte ‚Bannmühle‘, d. h. die Bauern der Umgebung waren gezwungen, in dieser und keiner anderen Mühle ihr Korn mahlen zu lassen – eine Vorschrift, die noch aus dem Mittelalter herrührte. Um 1700 waren es ca. 800 Bauern, die diesem ‚Mahlzwang‘ unterlagen. Sie alle waren in Wiblingwerde, Winkeln und der näheren Umgebung ansässig. Da diese Landschaft nicht besonders ertragreich war und die Bauern arm blieben, waren auch die Einnahmen der Mühle entsprechend gering.
Ursprünglich wurde die Mühle immer nur auf Zeit verpachtet, ehe 1765 dann mit Jacob Hermann Brenscheid der erste Erbpächter eingesetzt wurde, dessen Familie drei Generationen lang die Mühle bewirtschaftete. 1839 ging sie dann in Privateigentum über: Sie wurde von Johann Diedrich vom Hagen erworben, in dessen Familienbesitz sie bis heute verblieb. Mit der Aufhebung des Mahlzwangs zu Beginn des 19. Jahrhunderts verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Mühle. Die Kornverarbeitung verlagerte sich in zunehmendem Maße auf die Großbetriebe, so daß die Mühle 1952 geschlossen werden mußte.
Der Mühle angegliedert ist eine Bäckerei, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts neu eingerichtet worden war. Schon bis Anfang des 18. Jahrhunderts war in der Mühle Brot gebacken worden, doch als in Preußen 1717 die ‚Akzise‘ eingeführt wurde – eine Art Verbrauchersteuer für die Städte –, durfte zu gewerblichen Zwecken nur noch in den Städten Brot gebacken werden. Erst mit Aufhebung der Akzise ca. 100 Jahre später konnte auch in der Brenscheider Mühle wieder eine Bäckerei eingerichtet werden, die die Landbevölkerung mit Brot versorgte. Zusammen mit der Kornmühle wurde die Bäckerei dann 1952 geschlossen. In den Jahren danach wurden keinerlei Reparaturarbeiten vorgenommen, so daß das gesamte Gebäude zu verwahrlosen begann.
Seit 1975 wurde die Mühle dann von Grund auf restauriert: Mauerwerk, Dach und Backhaus wurden instandgesetzt, das Mahlwerk renoviert und ein neues Wasserrad gebaut. Da die ursprüngliche Einrichtung der Backstube nicht mehr vorhanden war, musste man auf die Arbeitsgeräte einer aufgelösten Bäckerei aus Nachrodt zurückgreifen.
1984 konnte dann zum ersten Mal seit 32 Jahren wieder Brot gebacken werden. Seit dieser Zeit finden auch wieder regelmäßig Backvorführungen statt.
Einkehrmöglichkeit und Themenwanderwege
Das Wald-Restaurant Brenscheider Mühle steht direkt neben der Kornmühle. Es gibt einen malerischen Biergarten und eine rustikale Speisekarte. Dienstag ist Ruhetag.
Rund um die Mühlen werden fünf landschaftlich reizvolle – für den Lehrunterricht geeignete – Themen-Wanderwege angeboten:
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Forellenweg (20 Minuten)
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Eulenweg (60 Minuten),
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Wildschweinweg (90 Minuten)
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Fuchsweg (120 Minuten)
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Genießerweg (Tagestouren mit Einkehrempfehlungen)